Hessens Flüsse und Bäche stehen unter Druck: Einleitungen aus Kläranlagen verändern die Artenvielfalt deutlich. Eine neue Studie der Goethe-Universität Frankfurt zeigt, welche Folgen dies für die Ökosysteme hat – und welche Lösungen es gibt.
Konzept der Untersuchungen
Die Studie umfasste 366 Probenahmestellen an hessischen Fließgewässern. Die Probenahme für die Bestimmung der Artenzusammensetzung fand jeweils oberhalb und unterhalb der 170 Kläranlagen statt. Aus den Daten berechneten die Wissenschaftler den durchschnittlichen Artenwechsel (species turnover). Damit lässt sich messen, wie stark sich die Artenzusammensetzung unterhalb der Kläranlagen verändert.
Artenwechsel durch Kläranlagen-Einleitungen
- Ausgeprägter Species turnover: Die Artenzusammensetzung ändert sich durchschnittlich um 61 % zwischen den Probenahmestellen ober- und unterhalb der Kläranlagen. Besonders empfindliche Gruppen wie Steinfliegen, Köcherfliegen und Schnecken gehen deutlich zurück.
- Zunahme resistenter Arten: Im Gegenzug nehmen belastungstolerante Gruppen wie Egel, Krebstiere und Schwämme unterhalb der Kläranlagen-Einleitungen zu.
- Oberläufe stärker betroffen: In kleineren Fließgewässern sind die Veränderungen mit 85 bis 97% besonders hoch.
Folgen für hessische Gewässer
Die Studie zeigt, dass Kläranlagen die Artenvielfalt hessischer Gewässer erheblich beeinflussen. Dies ist besonders relevant für die Umsetzung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die eine Verbesserung des ökologischen Zustands bis 2027 vorsieht. Eine Modernisierung der Abwasserinfrastruktur ist notwendig, um den ökologischen Zustand nachhaltig zu verbessern. Mit Blick auf die Auswirkungen der Kläranlagen-Einleitungen, empfehlen die Forschenden folgende Maßnahmen:
- Zusammenlegung kleiner Kläranlagen: Der Anschluss an größere Anlagen verbessert die Reinigungsleistung und reduziert den Eintrag schädlicher Stoffe.
- Modernisierung bestehender Kläranlagen: Der Ausbau um eine vierte Reinigungsstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen kann die Belastung deutlich reduzieren.
- Stärkere Berücksichtigung kleiner Fließgewässer: Besonders empfindliche Oberläufe sollten durch gezielte Maßnahmen geschützt werden.
Das Kompetenzzentrum Wasser Hessen spricht sich für die Umsetzung solcher Maßnahmen aus und setzt sich für innovative Lösungen im Gewässerschutz ein.
Die vollständige Studie Flushing away the future: The effects of wastewater treatment plants on aquatic invertebrates ist online verfügbar. Daten für die Forschungsarbeit stellte das Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie zur Verfügung.
Partner:
Goethe-Universität Frankfurt am Main – Abteilung Aquatische Ökotoxikologie
Kompetenzzentrum Wasser Hessen
Goethe-Universität Frankfurt am Main – Abteilung Integrative Parasitology and Zoophysiology (IPZ)
Nature Research Centre – Institute of Ecology (Litauen)